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Das Aktuelle für Ärzte & Heilberufe - Ausgabe 1/22
Wann sind nachgezahlte USt-Vorauszahlungen zu berücksichtigen?
Ermitteln Sie Ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung? Dann kennen Sie vielleicht die „Zehntageregelung“. Einnahmen und Ausgaben werden grundsätzlich dem Jahr zugerechnet, in dem sie angefallen sind.
Eine Ausnahme gilt für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben um den Jahreswechsel herum. Diese gelten innerhalb eines Zehntageszeitraums vor Beginn oder nach Beendigung des Kalenderjahres als in dem Kalenderjahr zugeflossen bzw. geleistet, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Wurde zum Beispiel die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember bis zum 10.01. geleistet, gehört diese Zahlung noch in das Vorjahr. Das Finanzgericht München (FG) hat sich mit der Frage befasst, ob diese Regel immer gilt.
Im Streitfall hatte der Kläger seine Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Mai bis Juli 2017 am 09.01.2018 an das Finanzamt geleistet. Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung. Die Vorauszahlungen für Mai bis Juli 2017 berücksichtigte der Kläger in seiner Gewinnermittlung 2017, da sie nach seiner Ansicht unter die Zehntageregelung fielen. Das Finanzamt erkannte dies jedoch nicht an. Das FG hielt die dagegen gerichtete Klage für unbegründet.
Nur regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die beim Steuerzahler kurze Zeit vor oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehörten, abgeflossen seien, gälten als in diesem Kalenderjahr angefallen. Als „kurze Zeit“ gelte ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen. Bei den Umsatzsteuer-Vorauszahlungen handle es sich zwar um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die „kurze Zeit“ nach Beendigung des Kalenderjahres entrichtet worden seien.
Die Zuordnung der Zahlungen zum Kalenderjahr 2017 scheitere allerdings an deren Fälligkeit. Die Zahlungen seien bereits am 10.06., 10.07. und 10.08.2017 und damit außerhalb des Zehntageszeitraums fällig gewesen. Eine Fälligkeit kurz vor Beginn oder nach Ende des Jahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit der Ausgaben werde als einschränkende Voraussetzung für eine vom tatsächlichen Zahlungsjahr abweichende Zuordnung angesehen. Somit konnten die Zahlungen erst im Jahr 2018 berücksichtigt werden.
Kein Anspruch auf Löschung aus Ärztebewertungsportal
Inwieweit Ärzte unter welchen Umständen mit einer fremdinitiierten Profilerstellung auf Ärztebewertungsportalen leben müssen, musste der Bundesgerichtshof (BGH) nach zwei vorinstanzlichen Bewertungen final entscheiden.
Das Ärztebewertungsportal Jameda erstellt auf Basis öffentlich zugänglicher Quellen ein Profil für alle Ärzte. Die Nutzer dieses Portals können diese Ärzte benoten und bewerten. Das Portal erstellt aus den abgegebenen Einzelbewertungen für die unterschiedlichen Kategorien eine Durchschnittsnote und bildet daraus in der Summe wiederum eine Gesamtnote für den jeweiligen Arzt. Für die Ärzte besteht zudem die Möglichkeit, ein kostenpflichtiges Paket zu erwerben, um ihr Profil ansprechender zu gestalten, etwa durch Hinzufügen eines Fotos, Verlinkung auf die eigene Praxishomepage oder die Veröffentlichung von Fachartikeln.
Gegen die Veröffentlichung ihrer Daten klagten zwei Zahnmediziner. Sie forderten die Löschung ihrer Profile und die Zusicherung, ihre Daten auch in Zukunft nicht mehr zu veröffentlichen, solange Jameda zahlende Ärzte bevorzuge.
Erstinstanzlich gab das Landgericht Bonn beiden Klagen statt. Das Oberlandesgericht Köln (OLG) jedoch änderte die im Revisionsverfahren noch relevanten Unterlassungsanträge unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten überwiegend ab. Zur Begründung führte das Gericht unter anderem aus, dass das Portal eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfülle. Erforderlich sei hierfür jedoch, dass Jameda seine Stellung als neutraler Informationsmittler wahre und seinen eigenen Kunden keine mit Gewinnerzielungsabsicht verdeckten Vorteile verschaffe. Jameda reagierte hierauf, indem es Anzeigen von konkurrierenden Ärzten auf Basiskundenprofilen und Links zu weiteren Ärzten in der Umgebung löschte sowie Verweise auf Fachartikel der Gold- oder Platinkunden entfernte. Dadurch erfüllt Jameda seine Funktion als neutraler Informationsmittler, und es ist für jeden Nutzer nun ersichtlich, dass Ärzte, die auf ihrem Profil Bilder und Links zu ihrer Praxishomepage hochgeladen haben, hierfür ein Entgelt leisten.
Der BGH folgte mit seinem abschließenden Urteil in der Sache nun der Rechtsprechung des OLG und unterstrich dabei erneut die gesellschaftlich erwünschte Funktion Jamedas als neutraler Informationsmittler. Ärzte müssen es also grundsätzlich hinnehmen, dass sie auf der Bewertungsplattform zu finden sind. Hierfür spricht insbesondere das öffentliche Interesse an der freien Arztwahl.
Konkrete Empfehlungen durch den Arzt nur auf Patientenwunsch
Als Arzt wollen Sie Ihre Patienten nicht nur behandeln, sondern auch beraten. Doch eine Empfehlung von Gesundheitsanbietern dürfen Sie nicht ohne Weiteres aussprechen. Die Empfehlung eines Anbieters gesundheitlicher Leistungen ohne hinreichenden Grund kann sowohl berufsrechtliche als auch wettbewerbsrechtliche Konsequenzen mit sich bringen. Um einen solchen Wettbewerbsverstoß zu beweisen, muss laut Landgericht Köln (LG) jedoch dringend auf die korrekte Dokumentation geachtet werden.
Geklagt hatte hier ein Sanitätshausbetreiber, der behauptete, ein Orthopäde empfehle unaufgefordert ein konkurrierendes Sanitätshaus. Um dies zu beweisen, hatte der Kläger einen Testpatienten in die Praxis des Orthopäden geschickt. Dort klagte der Testpatient über Schmerzen. Für die daraufhin verschriebenen Einlagen wurde ihm vom Orthopäden ein Sanitätshaus empfohlen, das in Konkurrenz zum Kläger steht.
Strittig war jedoch, ob diese Empfehlung auf Bitte des Testpatienten erfolgte, wie der Orthopäde in seiner Patientenkartei vermerkt hatte, oder nicht, wie vom Kläger behauptet. Vor Gericht konnte sich der Testpatient nicht mehr erinnern, ob er nach einem Sanitätshaus gefragt habe. Deshalb war das LG nach Beendigung der Beweisaufnahme von der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Testpatienten nicht überzeugt und wies die Klage ab.
Hinweis: Auf Nachfrage des Patienten dürfen Sie der Bitte um eine Empfehlung im Rahmen Ihrer ärztlichen Fürsorgepflicht nachkommen und konkrete Empfehlungen sehr wohl aussprechen.
Patienten haben Anspruch auf Kopien ihrer Behandlungsunterlagen
Jeder Patient, der einen Behandlungsfehler geltend machen oder durch einen Rechtsanwalt prüfen möchte, ob seine Behandlung nach dem medizinischen Standard erfolgt ist, ist auf den Inhalt seiner Patientenakte zwingend angewiesen. In einem solchen Fall werden die Behandlungsunterlagen angefordert, die der behandelnde Arzt aufgrund der Dokumentationspflicht zu führen hat.
In der Praxis besteht immer wieder das Problem, dass das Krankenhaus oder der behandelnde Arzt eine Übersendung der Unterlagen verweigert und auf Einsichtnahme vor Ort verwiesen wird. Das Oberlandesgericht Dresden (OLG) hat mit seiner aktuellen Entscheidung dieser Praxis nunmehr widersprochen.
Das OLG führte aus, dass die Möglichkeit zur Einsichtnahme zur Wahrung der Patientenrechte nicht ausreicht. Hierbei wird insbesondere zur Begründung ausgeführt, dass bei einer Arzthaftungsklage und zur Vorbereitung der Tätigkeit eines Rechtsanwalts das Vorliegen der Patientenakte unumgänglich ist, da ein Gedächtnisprotokoll, das nach der Einsichtnahme erstellt wird, nicht ausreicht. Daraus ergibt sich für den Patienten der Anspruch auf die Übersendung der Behandlungsunterlagen in Kopie. Die Kosten für die Kopien, die bis zu 0,50 € pro Seite betragen dürfen, hat der Patient zu tragen.
Hinweis: Eine Einsichtnahme darf nur dann abgelehnt werden, wenn erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Dies stellt eine absolute Ausnahmeregelung dar, die Sie als behandelnder Arzt ausführlich begründen müssen.
Wie ist eine Vertretung sozialversicherungsrechtlich zu behandeln?
Bei vielen Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) kommt es vor, dass beispielsweise während der Urlaubszeit eine ärztliche Vertretung extern vergeben wird. Wie solche Vertretungen sozialversicherungsrechtlich zu behandeln sind, dazu positionierte sich das Bundessozialgericht (BSG) in einer aktuellen Entscheidung.
Ursprünglich geklagt hatten eine Gemeinschaftspraxis und deren ärztliche Vertretung gegen einen Bescheid der Rentenversicherung, der die ärztliche Vertretung als abhängig beschäftigt eingestuft hatte und entsprechende Sozialversicherungsbeiträge einforderte. Die ärztliche Vertretung war eigentlich als Oberärztin in einer nahegelegenen Klinik angestellt, übernahm jedoch während ihrer Elternzeit die Urlaubs- und Krankheitsvertretungen in der Gemeinschaftspraxis. Für die ärztliche Vertretung in der Gemeinschaftspraxis verfügte die betreffende Ärztin über eine eigene Berufshaftpflichtversicherung. Eine eigenständige Abrechnung der Ärztin mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erfolgte nicht, sie wurde stattdessen auf Stundenbasis entlohnt.
Nach Ansicht der Rentenversicherung war die Ärztin abhängig beschäftigt, da sie im Rahmen ihrer Vertretung nicht den Platz eines Praxisinhabers eingenommen habe und somit kein eigenes unternehmerisches Risiko getragen habe. Die vertretende Ärztin und die Inhaber der Gemeinschaftspraxis bestritten eine abhängige Beschäftigung, indem sie betonten, dass die Ärztin ihre Therapieentscheidungen frei von Weisungen treffe und volle Budgetverantwortung besitze. Weiterhin verwiesen sie auf die eigene Regresspflicht der Vertretungsärztin.
Das BSG stellte sich auf den Standpunkt, dass die ärztliche Vertretung in dieser konkreten Ausgestaltung eine abhängige Beschäftigung darstelle. Die Begründung des BSG lautete: Zwar sei es grundsätzlich richtig, dass ein Arzt bezüglich der Therapieentscheidungen bei der Ausübung seines Berufs nicht weisungsgebunden sei. Allerdings könne die Weisungsgebundenheit in anderer Form vorliegen. Des Weiteren war die ärztliche Vertretung eng in die Abläufe und die Organisation der Praxis eingebunden. Weiterhin habe sie eng mit dem Personal der Gemeinschaftspraxis zusammengearbeitet. Ein Eintritt in die Rechtsstellung des zu vertretenden Praxisinhabers sei ebenfalls nicht erfolgt. Die ärztliche Vertretung habe auch keinerlei unternehmerisches Risiko getragen, da ihre Vergütung unabhängig von den Abrechnungen mit der KV erfolgte. Somit sind die BAGs verpflichtet, Sozialbeiträge für ärztliche Vertretungen abzuführen, wenn diese in die Arbeitsorganisation der BAG eingegliedert sind und kein nennenswertes unternehmerisches Risiko tragen.
Hinweis: In der Praxis bedeutet die Entscheidung für die BAG zusätzlichen bürokratischen Aufwand und eine Verpflichtung, für externe ärztliche Vertretungen Sozialversicherungsbeiträge abführen zu müssen.
Zulassungswechsel hat keinen Einfluss auf Fünfjahrespflicht
Wer als Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, aber seiner Fortbildungspflicht im Fünfjahreszeitraum nicht nachkommt, muss damit rechnen, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ihre Möglichkeit wahrnimmt, Honorarbescheide zu kürzen. Ob diese Sanktionierungsmöglichkeit auch dann besteht, wenn innerhalb dieses Zeitraums zwei Zulassungen in verschiedenen Fachgebieten aufeinander folgen, hat im Folgenden das Bundessozialgericht (BSG) entschieden.
Im strittigen Fall wehrte sich ein Arzt gegen Honorarkürzungen der KV. Der Mediziner hatte zwischen 01.07.2009 und 30.06.2014 keine Fortbildungsnachweise erbracht, obwohl die KV hierzu vermehrt Hinweise gegeben hatte. Zum 30.06.2014 verzichtete er auf seine Zulassung als Facharzt für Anästhesie und erhielt einen Tag später, zum 01.07.2014, die Zulassung als Facharzt für Allgemeinmedizin. Da die Fortbildungsnachweise fehlten, kürzte die KV das Honorar des Arztes für das vierte Quartal 2014 um zehn Prozent.
Erstinstanzlich gab das Sozialgericht München (SG) dem Mediziner recht und verurteilte die KV zur Zahlung des gekürzten Honorars. Das SG begründete dies damit, dass die Fortbildungsverpflichtung und die Berechtigung zur Sanktionierung von Verstößen gleichzeitig mit dem Verzicht auf die Zulassung zum 30.06.2014 endeten und am 01.07.2014 eine neue Frist zur Fortbildungsverpflichtung in Gang gesetzt worden sei. Der Berufung der KV wurde vom Landessozialgericht Bayern (LSG) stattgegeben, und dieses kam zu einem anderen Ergebnis als die Vorinstanz: Mit der neuen Zulassung beginne keine neue Frist für den Fünfjahreszeitraum, denn die möglichen Sanktionierungen begründen sich mit der Pflichtverletzung eines Vertragsarztes, nicht mit dem jeweiligen Zulassungsgebiet.
Daraufhin hatte der Arzt Revision beim BSG eingelegt, da seiner Meinung nach mit dem Zulassungsverzicht die Fünfjahresfrist geendet hat und das Sanktionierungsrecht der KV. Das BSG folgte der Begründung und Entscheidung des LSG vollumfänglich. Besonders betonte es, dass eine Honorarkürzung immer dann zulässig ist, wenn ein Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, seiner Fortbildungspflicht im Fünfjahreszeitraum jedoch nicht nachkommt und in den darauffolgenden Quartalen weitere Honoraransprüche erwirbt.
Hinweis: Hätten LSG und BSG dem Urteil der Erstinstanz zugestimmt, könnte sich ein Arzt demzufolge jederzeit seiner Fortbildungsverpflichtung durch Zulassungsverzicht und anschließende Wiederzulassung entziehen.
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