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Wichtige Änderungen im Arbeitsrecht für Arbeitgeber
Sehr geehrte Mandantinnen,
sehr geehrte Mandanten,
zum 01. 08. 2022 sind Änderungen im Arbeitsrecht betreffend Nachweis- und Hinweisverpflichtungen des Arbeitgebers wirksam geworden. Die Änderungen finden sich in § 2 Nachweisgesetz, der bis dahin eher ein Nischendasein hatte.
Nunmehr sind Verstöße gegen die Nachweis- und Hinweisverpflichtungen des Arbeitgebers nach § 4 NachwG bußgeldbewehrt. Es sind Bußgelder bis zu 2000 EUR pro Arbeitsverhältnis möglich.
Wir wollen Sie daher informieren, welche konkreten Auswirkungen die Änderungen für Sie und Ihr Unternehmen haben.
I Niederlegungspflichtige wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses
Die bis 31. 07. 2022 geltende Fassung des § 2 NachwG wurde erheblich erweitert und führt ab 01. 08. 2022 im Abs. 1 numerativ auf, welche wesentlichen Arbeitsbedingungen „mindestens“ niedergelegt werden müssen (ALT – war schon in der Altfassung, NEU – ist ab 01. 08. 2022 hinzugekommen):
- der Name und die Anschrift der Vertragsparteien (ALT),
- der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses (ALT),
- bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum (NEU) oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
- der Arbeitsort (ALT) oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann (NEU),
- eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
- sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit (NEU),
- die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts (ALT) einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung (NEU),
- die vereinbarte Arbeitszeit (ALT), vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen (NEU),
- bei Arbeit auf Abruf nach 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (NEU):
- die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
- die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
- der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
- die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat,
- sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen (NEU),
- die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs (ALT),
- ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung (NEU),
- wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist (NEU),
- das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden (NEU),
- ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen (ALT), sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen (NEU).
Hinsichtlich der Angaben des Urlaubs, Nr. 11, und des Kündigungsverfahrens, Nr. 14, soll gem. § 2 Abs. 4 Satz 2 NachwG ein Verweis auf die jeweilige gesetzliche Regelung möglich sein, sofern die gesetzliche Regelung in dem konkreten Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang insofern, ob der Arbeitgeber über die etwaige Pflicht zur Anhörung eines bestehenden Betriebsrats oder über mögliche behördliche Zustimmungserfordernisse im Falle von Sonderkündigungsschutz unterrichten muss. Hierzu verhält sich die Gesetzesbegründung nicht.
II Niederlegung bei Entsendung ins Ausland
a. Entsendung ins Ausland
Auch bei Entsendung der Mitarbeiter ins Ausland sind, zusätzlich zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen der vorgenannten Nummer, bestimmte Angaben dem Mitarbeiter auszuhändigen.
Hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dessen Abreise die Niederschrift nach § 2 Absatz 1 Satz 1 mit allen wesentlichen Angaben nach § 2 Absatz 1 Satz 2 und folgenden zusätzlichen Angaben auszuhändigen:
- das Land oder die Länder, in dem oder in denen die Arbeit im Ausland geleistet werden soll, und die geplante Dauer der Arbeit,
- die Währung, in der die Entlohnung erfolgt,
- sofern vereinbart, mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Geld- oder Sachleistungen, insbesondere Entsendezulagen und zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unter- bringungskosten,
- die Angabe, ob eine Rückkehr des Arbeitnehmers vorgesehen ist, und gegebenenfalls die Bedingungen der Rückkehr.
b. Entsendung innerhalb der EU
Bei Entsendung innerhalb der EU sind zusätzlich gem. § 2 Abs. 3 NachwG anzugeben:
- die Entlohnung, auf die der Arbeitnehmer nach dem Recht des Mitgliedstaats oder der Mitgliedstaaten, in dem oder in denen der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten soll, Anspruch hat,
- den Link zu der einzigen offiziellen nationalen Website, die der Mitgliedstaat, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten soll, betreibt nach Artikel 5 2 Buchstabe a der Richtlinie 2014 / 67/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96 / 71/ EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024 / 2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt- Informationssystems – („IMI-Verordnung“) (ABl. L 159 vom 28. 5. 2014, S. 11).
Es ist etwas unklar, ob die zusätzlichen Angaben bei Entsendung in das EU-Ausland auch nur bei länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der Bundesrepublik gelten. § 3 NachwG verweist auf „Auslandsaufenthalt nach Absatz 2“, der aber einen Aufenthalt von mehr als vier Wochen als Voraussetzung für die Niederlegungspflicht hat.
Die Pflicht zur Aushändigung der Angaben zur Entsendung entfallen, wenn diese im schriftlichen Arbeitsvertrag bereits enthalten sind.
III Form und Frist der Niederlegung der wesentlichen Arbeitsbedingungen
a. Form
Deutschland hat sich dazu entschlossen, den Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen ausschließlich in Schriftform zu verlangen, die elektronische Form ist gesetzlich ausgeschlossen. Das bedeutet, dass auch die Niederlegung der wesentlichen Arbeitsbedingungen unter Verwendung der elektronischen Signatur unwirksam sein wird und Bußgelder nach sich ziehen könnte.
Für eine „Niederlegung“ der wesentlichen Arbeitsbedingungen ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Arbeitgeber die wesentlichen Arbeitsbedingungen in einer Niederschrift festhält, diese unterzeichnet und dem Arbeitnehmer aushändigt. Eine Gegenzeichnung des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich, jedoch zu empfehlen, da für die Aushändigung der Arbeitgeber ggf. beweispflichtig sein wird, wenn die Aushändigung fraglich sein soll.
b. Fristen
Es sind Fristen bei Niederlegung der wesentlichen Arbeitsbedingungen einzuhalten:
- Ab 08. 2022 begründete Arbeitsverhältnisse: Es gilt die gestaffelte Frist. Dem Arbeitnehmer ist die Niederschrift mit den Angaben nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nummer 1, 7 und 8 NachwG spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung, die Niederschrift mit den Angaben nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nummer 2 bis 6, 9 und 10 NachwG spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach § 2 Abs. 1 Satz 2 spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen.
In der Praxis wird diese gestaffelte Niederlegungspflicht dazu führen (müssen), dass alle wesentlichen Arbeitsbedingungen am ersten Tag ausgehändigt werden. - Bis 08.2022 begründete Arbeitsverhältnisse: Auch für Arbeitsverhältnisse, die begründet wurden bevor die Änderungen des NachweisG in Kraft getreten sind, gelten die Neuregelungen. Mitarbeitende können vom Arbeitgeber gem.
- 5 NachwG verlangen, dass die im NachweisG genannten wesentlichen Arbeitsbedingungen ausgehändigt werden. Auch hier gilt eine gestaffelte Frist. Wesentliche Arbeitsbedingungen des § 2 Abs.1 Satz 2 Nr.1 bis 10 sind innerhalb von einer Woche ab Zugang des Verlangens, die übrigen Nummern innerhalb eines Monats, auszuhändigen.
Die Niederlegungspflichten entfallen jeweils gem. § 2 Abs. 5 und § 5 S. 2 NachwG, wenn die niederzulegende Angaben bereits in den schriftlichen Arbeitsverträgen enthalten sind. Zu beachten ist, dass der Arbeitsvertrag in Schriftform vorliegen muss, um die Hinweisverpflichtungen zu erfüllen und die Niederlegungspflicht entfallen zu lassen.
Dies bedeutet, dass die Arbeitsverträge zur Vermeidung von Ordnungsgeldern künftig zwingend schriftlich ausgefertigt, unterschrieben und dem Arbeitnehmer ausgedruckt übergeben werden müssen. Jedenfalls bei Arbeitsverträgen mit einer sogenannten „Rentenbefristungsklausel“, die den Regelfall darstellt, war und ist dies ohnehin aber erforderlich. Jedoch wird die Aufnahme der Niederlegungsverpflichtungen in die bestehenden Muster zu empfehlen sein.
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